Zwischen den Jahren...

...mit zwei Rezensionen

Enthält Werbung -

Poesias

Romanische Gedichte und deren Annäherungen

Neugier bestimmte den Entscheid für dieses Büchlein aus dem btb-Verlag. Es liegt zart in der Hand, es hat mit seinem textilen Einband, der an Stickerei anmutenden Gestaltung etwas biederes und bodenständiges. Doch die Texte schaffen den Spagat zwischen dem Ort, der gewöhnlichen Küche - dem chadafö = was übertragen "das Haus des Feuers" bedeutet  - bis zum Mauersegler, dem randurel. 
Fremde, absolut unverständliche Laute beim lauten Vorlesen der Lyrik!
Zur Erläuterung: Wie das Schweizerdeutsche ist auch die vierte Landessprache keine Einheitssprache. Die Leute sprechen verschiedene Dialekte, verstehen sich jedoch trotzdem  untereinander. Die meisten Linguisten unterteilen das Romanische in fünf hauptsächlich gesprochene Dialekte: Sursilvan, Sutsilvan, Surmiran, Putér und Vallader. Diese Vielfalt beruht auf der starken Aufsplitterung der Gemeinschaften in einer Region, die für ihre 150 Täler bekannt ist. Es bildete sich kein kulturelles Zentrum heraus, und die fünf offiziellen Dialekte gelten als gleichwertig.

Und ich erkenne mitunter etwas französisches in der Schreibweise, beziehungsweise auch italienische Anklänge. Neugierde, die mich beflügelte und nun begeistert, neben den originalen Verstexten zur deutschen Angleichung in der Übersetzung den Werdegang zu verfolgen. Denn, die Autorin erzählt davon! Ihre eigene Findung dieser Sprache, dem Vallader Dialekt. Ihre spröde Annäherung mit umschlagender Euphorie, die Angelika Overath zu eigenen Lyrik in romanischen Worten hinriss, nebst der Herausforderung die Verse einem breiten Publikum zuzuführen in der deutschsprachigen Ausführung. Es sind bewusst keine 1:1 Übersetzungen, die dabei passierten, sondern jeweils gefühlte Worte und Sätze in zwei Sprachen, die sich auf den Buchseiten zunicken. Das Romanische ist eine Sprache, die mehr und mehr zu verschwinden scheint, doch hier wird liebevoll damit gelebt - Zeile für Zeile.
Das Büchlein ist in meinen Augen eine kleine Kostbarkeit. Das es verdient, öfter in die Hand genommen zu werden.


In üna
lingua estra
tout es da stà...


In einer
fremden Sprache
ist immer Sommer

In der anderen Sprache
lacht alles
Die fremde Zunge
spricht dich
frei



Musikmomente

Eine Anthologie im Geschenkformat

Eher durch Zufall entdeckt, sehe ich - nachdem ich das Buch nun gelesen habe - , dass es eine angenehme Fügung ist. Die autobiographische Erzählung führt die Leser nämlich in eine längst vergessene, vergangene Nachkriegszeit. Ließ mich persönlich kurz in meinen eigenen Erinnerungen in die Kindheit sinken, da ich noch Bilder des zerbombten Münchens vor dem geistigen Auge habe, die ich damals bei diversen Spaziergängen kennengelernt und wahrgenommen hatte, die mir als Kind schier utopisch anmutenden. Und so muss es wohl seelisch dem Autor als Bub ergangen sein. Es ist eine anrührende Geschichte in wohl geformten Worten. Leichtfüßig zu lesen. Gerade recht zwischen den Weihnachtsfeiertagen und dem Jahreswechsel.

Der Autor.

Ein interessantes Leben offenbart sich mir: Hanns-Josef Ortheil wurde 1951 in Köln als einziges Kind einer Bibliothekarin und eines Vermessungsingenieurs geboren. Vor seiner Geburt hatten die Eltern jedoch schrecklicherweise vier Söhne im Krieg und in der Nachkriegszeit verloren. Im Alter von drei Jahren folgte Ortheil seiner wegen dieser traumatischen Ereignisse verstummten Mutter und sprach ebenfalls nicht mehr. Ich erzähle davon, da es Bestandteil im Buch ist. Erst von seinem achten Lebensjahr an wurden diese schweren Störungen durch einen täglichen, unkonventionellen Schreibunterricht der Eltern allmählich behoben (davon erzählt der Autor übrigens auch in „Der Stift und das Papier“). Kurze Zeit später wurde seine besondere Begabung für das Erzählen bereits deutlich, und er veröffentlichte erste Erzählungen in Tageszeitungen.

Das Schreiben wurde mit der Zeit immer mehr zu einem existentiellen Medium des Überlebens. Neben der Literatur hatte die Musik für den anfangs Sprachlosen die größte Bedeutung. Er erhielt früh Klavierunterricht und setzte seine pianistische Ausbildung später als Schüler von Daniela Ballek und Claudio Arrau fort. In Köln, Wuppertal und im Westerwald aufgewachsen, machte er 1970 in Mainz Abitur, danach ging er für längere Zeit nach Rom. Dort finanzierte er sein pianistisches Studium am römischen Conservatorio als Organist an einer deutschen Kirche. Nach einem krankheitsbedingten Abbruch seiner pianistischen Laufbahn arbeitete er als Film- und Musikkritiker und begann später ein Studium der Musikwissenschaften, Philosophie, Germanistik und Vergleichenden Literaturwissenschaft in Mainz, Rom, Göttingen und Paris, das er 1976 in Mainz mit der Promotion abschloss. Von 1976 bis 1988 war er Assistent am Deutschen Institut der Universität Mainz, 1990 übernahm er eine Dozentur für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim. 1988 war er "Writer in residence" an der Washington-University in St. Louis/Missouri und 1991 und 1993 "Villa Massimo-Stipendiat" in Rom. 2003 erhielt er an der Universität Hildesheim die erste Professur für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Deutschland. Hanns-Josef Ortheil ist Honorarprofessor der Universität Heidelberg und Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.





Von guter Laune kann man 

sagen, dass sie eines der besten Kleidungsstücke ist,

die man in Gesellschaft tragen kann.


(1811 - 1863), englischer literarischer Vertreter des Realismus und Zeitkritiker








Weihnacht, wunderbares Land,
wo die grünen Tannen,
sternenflimmernd rings entbrannt,
jeden Pilger bannen!

Glücklich kindlicher Gesang
schwebt um heilige Hügel,
schwebt der Heimat Welt entlang,
Sehnsucht seine Flügel.

Friedenstarken Geistes Macht
sehnt sich, zu verbünden,
über aller Niedertracht
muss ein Licht sich zünden.

Lebens immergrüner Baum
trägt der Liebe Krone –
und ein milder Sternentraum
küsst die starrste Zone.

Karl Friedrich Henckell
(1864 - 1929), deutscher Lyriker und Schriftsteller,
Sozialrevolutionär und Vorkämpfer des Naturalismus



Kommentare

  1. wouw liebe Erica das ist mal ein wunderbarer informativer großer kultureller Post der sich unglaublich interssesant liest.
    Ich nicke bei deiner beschreibung des Autors der sich die lyrische Sprache und generell die Sprache so spät zu eigen gemacht hat und so viel erreichte. meine Hochachtung -
    ein wunderbarer Post den ich gerne, sehr gerne las und eben entdeckte; da sind wir ja alle in den Blogs keline Lichter dagegen wenn auch jedes seine eigene Berechtigung tat und geehrt werden will, die sich die Mühe machten - sich anderen mitzuteilen...Ihnen allen sei mein Dank dass ich sie lesen durfte.
    Dir wünsche ich einen friedvollen schönen Jahresausklang und einen gesunden Rutsch rüber...ins 2018
    herzlichst Angelface

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  2. Danke für den Hinweis auf das neue Buch von Ortheil, den wir kennen und schätzen . Habe es sofort "geladen" und die Zeit zwischen den Jahren wird zur Lektüre genutzt. Das Rätoromanisch höre ich so gerne ( ganz hinreißend: der "Schellenursli" - Film ).
    LG
    Astrid

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  3. Last year was a great year for you, and I know you’ll have an even better one this year.
    Ryoma.

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